Buntpapier-Sammlung Adelheid Schönborn
Einführung
oder kurze Geschichte der Sammlung Adelheid Schönborn

Im Buch «Die phantastische Welt der Brokatpapiere» und auf dieser Website werden Brokatpapiere aus meiner persönlichen Sammlung von Buntpapieren vorgestellt. Solche Papiere wurden von den Buchbindern als Vorsatzpapiere genutzt und trugen zur reizvollen Gestaltung eines Buches bei. Vorsatzpapiere sind die Papierbogen, die den Buchdeckel und den eigentlichen Buchblock zusammenhalten und das Buch stabilisieren.

Im 18. Jahrhundert waren es bevorzugt Brokatpapiere, die als Vorsatz-, aber auch als Einbandpapiere für Bücher oder als Umschläge für Dissertationen, Leichenpredigten und Huldigungsschriften verwendet wurden. Auch Schatullen und Möbel wurden mit solchen Papieren ausgekleidet.

Brokatpapiere sind Prägedrucke, die mithilfe einer relativ dicken, reliefierten Kupferplatte hergestellt und mit einer Walzenpresse gedruckt wurden.

Anonym, Draperie | Geometrische, floral verzierte Elemente über das Blatt verteilt. | Inv. Nr. 294 | Goldprägedruck positiv und negativ auf patroniertem Papier. Drap d’or | Fragment | 17,8 × 14 cm

Der Grundstock meiner inzwischen umfangreich gewordenen Sammlung ist meinem Vater, Dr. H.c. Karl Schumm (1900–1976), zu verdanken. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er von einem befreundeten Antiquar zu einem Haufen aufgestapelter Papiere gerufen, die verbrannt werden sollten. Der Antiquar hatte darin außergewöhnlich reizvolle Papiere entdeckte. Mein Vater eilte zu dem inzwischen brennenden Papierstoß und zog so viele Bogen heraus, wie ihm möglich war. Auffallend schön gestaltete Papiere verschiedener Art hatte er so vor der Zerstörung gerettet – einordnen konnte er diese allerdings nicht. Für derartige Aktionen war er bekannt, und so kam es, dass er oft als Begutachter und Bewahrer geholt wurde.

Da er historisch in jeder Richtung aufgeschlossen und in der Geschichte Hohenlohes sehr bewandert war, bekam er nach dem Krieg von den Fürsten Hohenlohe den Auftrag, das Hohenlohe-Zentralarchiv in Schloss Neuenstein aufzubauen. Diese Arbeit war aufwendig und wurde zum Lebenswerk meines Vaters. Bis 1970 leitete er das Hohenlohe-Zentralarchiv und er hat in diesen Jahren zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über kunsthistorische und volkskundliche Themen verfasst. Er erlangte den Status eines wissenschaftlich anerkannten Archivars auch über die Grenzen des Fürstentums Hohenlohe hinaus.
Zeit seines Lebens war er vielseitig interessiert. Es war ihm ein Anliegen, kunsthistorisch und volkskundlich bedeutsame Objekte für die Nachwelt zu bewahren. Zumal man diese im Zuge des allgemeinen Erneuerungswahns, der sich nach dem zerstörerischen Zweiten Weltkrieg entwickelt hatte, höchstwahrscheinlich vernichtet hätte.
Die aus den Flammen gezogenen Papiere machten nur einen kleinen Anteil der geretteten Dinge in unserem Haushalt aus. Und so verschwanden sie zunächst in einer – ebenfalls vor dem Untergang bewahrten – bemalten Bauerntruhe.

Anonym, Blumen auf Sternenteppich | Große, prächtige Blüten auf doppelläufigen Stengeln mit schwungvollen in sich verzierten Blättern. Dazwischen zahlreiche goldene Sternchen | Inv. Nr. 303 | Goldprägedruck positiv und negativ auf patroniertem Papier | Fragment | 18,6 × 11 cm

Zum Jubiläum des 150-jährigen Bestehens der Buntpapierfabrik AG Aschaffenburg wurde der Kunsthistoriker und Papierspezialist, Dr. Albert Haemmerle beauftragt, ein Buch über Buntpapier herzustellen – dies war zu Beginn der 1950er-Jahre. Im Rahmen seiner Nachforschungen fragte er auch im Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein nach, das von meinem Vater geleitet wurde. In diesem Zusammenhang kamen die geretteten Papiere zur Sprache. Albert Haemmerle besuchte uns zu Hause, sichtete die Papiere und fand einige, die für seine Veröffentlichung infrage kamen.

Ich selbst war zu dieser Zeit noch Schülerin. Ich schaute dem damals schon bedeutenden Wissenschaftler bei der Arbeit über die Schulter. Sofort war ich fasziniert von der Schönheit und Vielfältigkeit dieser Meisterwerke des Kunsthandwerks. Ich wurde angesteckt von der Begeisterung und der Hingabe, mit der dieser Kenner die Papiere betrachtete und behandelte. Nachdem Albert Haemmerle seine Aufgabe erfüllt sah, verschwanden die Papiere wieder in der Truhe. Allerdings kannten wir nun ihren Zweck, und dass sie, zumindest aus kunsthistorischer Sicht, von Wert waren.
Die eigentliche Herkunft der Papiere konnte nie ergründet werden. Wahrscheinlich stammten sie aus dem Bestand einer aufgelassenen Buchbinderei, der für die Nachkommen nur bedeutungsloses Altpapier war, das möglichst schnell beseitigt werden sollte.
Das Buch von Albert Haemmerle mit dem Titel «Buntpapier» kam 1961 auf den Markt und wurde zu dem wichtigsten Standardwerk über die Geschichte des Buntpapiers. Mein Vater erhielt ein Exemplar, das jetzt in meinem Besitz ist. Ich habe es viel und gerne benutzt, und es dient mir bis heute als unverzichtbares Nachschlagewerk. Die Papiere aus meiner Sammlung finden sich darin unter der Bezeichnung: «Archivrat Schumm Neuenstein».

Nach dem Tod meiner Eltern habe ich die Papiere übernommen. Ich begann, mich intensiv damit auseinanderzusetzen. Da mir als Medizinerin jedes Fachwissen fehlte, musste ich mich mühsam in die Materie einarbeiten. Ich bekam von vielen Seiten Hilfe und lernte viele Menschen kennen, die sich mit der Materie «Papier» beschäftigten und die mir meine zahlreichen Fragen gerne beantworteten.
Die Papiere durchzusehen und nach ihren Zugehörigkeiten zu ordnen, war eine minutiöse und zeitaufwendige Arbeit. Es handelte sich nicht nur um Brokatpapiere, sondern auch um andere Arten, wie etwa Marmor-, Bronzefirnis-, Kleister- und Kattunpapiere. Diese werden im Beitrag von Julia Rinck besprochen.
Ich erweiterte die Sammlung nach Kräften und erwarb Bücher, die mit einem besonderen Vorsatz versehen waren. Ich habe Ausstellungen veranstaltet und Vorträge gehalten, um den Beschauern und Zuhörern das Besondere solcher Papiere nahezubringen – dabei ist mir viel Erstaunen und Begeisterung begegnet. Durch die koreanische Papierkünstlerin Young-Ja Bang-Cho wurde ich 2004 nach Jeonju in Korea zu dem IAPMA-Kongress eingeladen, um die Papiere vorzustellen. Das Interesse dort war sehr groß.

Dass im Buch «Die phantastische Welt der Brokatpapiere» hauptsächlich Brokatpapiere gezeigt werden, liegt an der Einzigartigkeit dieser Papiere und daran, dass sie in ihrer ursprünglichen Art bis heute nicht mehr hergestellt werden können.

Michael Rothe, Restaurator und Verleger in der Schweiz, der sich sehr für Brokatpapiere und deren Herstellung interessiert, hat dieses Projekt angestoßen. Ich habe die Idee mit Freuden aufgenommen.
Aus der Vielzahl meiner Brokatpapiere habe ich besonders schöne und verschiedenartig gestaltete ausgesucht; viele mit Signatur, sodass man weiß, aus welcher Werkstatt sie kommen. Zeitlich sind die meisten zwischen 1700 und 1780 entstanden – wenige auch später. Die beste Qualität stammt aus der Zeit vor 1760.
Die Papierwerkstätten lagen damals vor allem im fränkischen Raum Deutschlands, so in Augsburg, Fürth und Nürnberg. Da die Brokatpapiere um 1700 in Augsburg zum ersten Mal hergestellt wurden, nennt man sie auch «Augsburger Papiere». Die konkrete Zuordnung erweist sich als schwierig, da in vielen Fällen die Signatur fehlt. Der Buchbinder hat bei der Verarbeitung die Papiere beschnitten und so die Signaturen entfernt, die, bis auf wenige Ausnahmen, am Rand angebracht waren.

Der Sinn und Zweck dieses Projektes liegt darin, dass auch Menschen, die nicht mit der Materie «Papier» befasst sind, sich an der Schönheit und Vielfältigkeit dieser Brokatpapiere erfreuen können. So soll für dieses ausgestorbene und nahezu vergessene Kunsthandwerk wieder ein Interesse geweckt werden.

Adelheid Schönborn

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